1900 gründen ein paar junge Reformer eine "vegetabile Cooperative" auf einem Berg bei Ascona,
am Lago Maggiore in der Schweiz. Sie nennen den Berg jetzt "Monte Verità", weil sie die Wahrheit des guten Lebens
gemeinsam finden wollen. Gemüseanbau, Nacktheit, alles Reformerische wird hier geübt. Bald kommen viele Menschen dazu. Schriftsteller wie Hermann Hesse kommen zu Besuch, der
anarchistische Autor Erich Mühsam kauft ein Grundstück dort. Ganz in der Nähe wohnt Fanny zu Reventlow. Das alles sind
Leute, die auf ihrer Suche ziemlich radikal sind.
Ab 1913 wird auf dem Berg Ausdruckstanz unterrichtet. Die Basis dessen, was wir heute als modernen Tanz kennen.
Der Monte Verità wird zur Künstlerkolonie. Noch
vor 1920 verschwinden die mesten Künstler und Reformer wieder. Heute gibt es auf dem Monte mehrere Gebäude aus der Zeit und ein Museum.
Ja, Paul – Paul war in diesem Fall nur ein Sammelname. Er hieß gar nicht Paul – er war es nur.
Es gibt eine bestimmte Art von Erlebnis, das ich Paul nenne, aus dankbarer Erinnerung an seinen ersten Vertreter.
Paul ist eine Begebenheit, die immer von Zeit zu Zeit wiederkehrt. Nicht etwa, weil sie besonders tiefen Eindruck
gemacht hätte – im Gegenteil, Paul ist immer etwas Lustiges, Belangloses, ohne Bedenken und ohne Konsequenzen.
Aber er kommt immer wieder, wenn auch jedesmal in etwas veränderter Form und Gestalt. Paul kann alles mögliche sein,
verheiratet oder Junggeselle, Leutnant, Ingenieur, junger Arzt, Afrikareisender – es kommt auch vor, daß er gar
keinen Beruf hat.
Man lernt ihn in Sommerfrischen, in Hotels und auf Reisen kennen. Zu Paul gehören immer Koffer und Kellner, irgendeine momentane und geräuschvolle Umgebung. Man erkennt ihn auf den ersten Blick, wenn er einem im Coupe gegenübersitzt oder in ein Hotel hereinkommt, weiß sofort: das ist Paul. Es dauert auch nie sehr lange, bis man sich kennt, duzt (mit Paul muß man sich duzen, es geht nicht anders) und ganz genau weiß, wie sich nun alles entwickeln wird. Ich habe mir auch angewöhnt, ihn immer so zu nennen. Wenn ich das erstemal sage: du, Paul – so ist er sehr erstaunt und fragt, mit wem ich ihn jetzt verwechselt habe. – Nun, mit Paul natürlich – und dann bleibt es dabei. Ich hüte mich wohl,
ihn aufzuklären, daß es in Wirklichkeit gar keine Verwechslung ist. Er würde es nicht verstehen.
Folg mir in mein Domizil (Erich Mühsam (-1934))
Folg mir in mein Domizil,
liebes Kind, und frag nicht viel.
Wirst schon alles lernen,
wirst schon alles sehn,
liest nicht in den Sternen,
was dir heut noch alles kann für Heil geschehn.
Stehst herum in Nacht und Wind.
Komm! Bei mir ist's warm, mein Kind.
Geb dir einen Taler,
koch dir ein Glas Tee.
Einen Emmentaler
essen wir selbander auf dem Kanapee.
Bleibst bei mir bis früh am Tag.
Geht dann jeder, wo er mag.
Ich zum Redaktöre,
du, wohin dich's treib.
Morgen küßt, ich schwöre,
dich mein guter Nachbar, mich des Nachbars Weib.