Noch etwas. In Rom lernt Goethe (so genau wissen wir das ja nicht) im Alter von 37, wie man sagt, die Liebe kennen, die körperliche. Eine hübsche Witwe aus Mailand … Er genießt‘s und schreibt Gedichte darüber. In Hexametern und Pentametern, wie die antiken Dichter. Das ist ab jetzt sein Ideal: Der Perfektion der antiken Kunst nahekommen. Hier die dritte Elegie. Goethe hat zeitlebens zwanzig davon veröffentlicht, vier weitere wegen skandalösen Inhalts (an Priapus zum Beispiel) nicht. Auch das ist antike Tradition. Catullus und Martial sind für solche Dinge bekannt.(auf den Text klicken!)

Es soll dir, Geliebte, nicht leid tun, dass du gleich mit mir geschlafen hast
Glaub es, ich denke nicht respektlos, nicht schlecht von dir.
Amors Pfeile haben viele Effekte, einige kratzen nur
und von ihnen ist das Herz jahrelang krank,
aber andere treffen direkt, schnell, spitz und scharf
wie sie sind, und setzen das Blut in Flammen.

In der Zeit der Heroen, als Götter und Göttinnen liebten,
folgte Lust dem Blick, folgte Genuss der Lust
glaubst du, Venus habe lange nachgedacht,
als ihr im Wald der Ida Anchises gefiel?

Luna hätte nicht gewartet, den schönen Schläfer zu küssen,
denn dann hätte ihn schnell die neidische Aurora geweckt.
Hero sah Leander beim lauten Fest, und schnell
sprang der Liebende heiß ins nächtliche Wasser.
(nämlich in das Meer, das die beiden trennt)

Rhea Silvia, die aristokratische Jungfrau wandert am Tiber
um Wasser zu holen, nach unten, und der Gott nimmt sie.
So machte seine Söhne Mars. – Die beiden tranken die Milch
einer Wölfin, und Rom nennt sich Herrin der Welt.
(Mars nimmt die Dame, die dann Mutter von Romulus und Remus wird)

Laß dich, Geliebte, nicht reun, daß du mir so schnell dich ergeben!
Glaub es, ich denke nicht frech, denke nicht niedrig von dir.
Vielfach wirken die Pfeile des Amors: einige ritzen,
Und vom schleichenden Gift kranket auf Jahre das Herz.
Aber mächtig befiedert, mit frisch geschliffener Schärfe
Dringen die andern ins Mark, zünden behende das Blut.

In der heroischen Zeit, da Götter und Göttinnen liebten,
Folgte Begierde dem Blick, folgte Genuß der Begier.
Glaubst du, es habe sich lang die Göttin der Liebe besonnen,
Als im Idäischen Hain einst ihr Anchises gefiel?

Hätte Luna gesäumt, den schönen Schläfer zu küssen,
O, so hätt ihn geschwind, neidend, Aurora geweckt.
Hero erblickte Leandern am lauten Fest, und behende
Stürzte der Liebende sich heiß in die nächtliche Flut.

Rhea Silvia wandert, die fürstliche Jungfrau, den Tiber,
Wasser zu schöpfen, hinab, und sie ergreifet der Gott.
So erzeugte die Söhne sich Mars! — Die Zwillinge tränket
Eine Wölfin, und Rom nennt sich die Fürstin der Welt.